Märchen aus dem Land der Feuer - Aserbaidschan
In Übersetzung von Mag. Liliane Grimm

Der gefräßige Wolf

Es gab einmal, es gab nicht, es gab einen Wolf. Dieser Wolf ließ beim Fressen kein Schaf, keine Ziege in der Umgebung aus. Aber immer war er noch hungrig.

Eines Tages kamen ein Löwe und ein Tiger daher. Sie gingen ein wenig, verweilten viel, gingen viel, verweilten wenig und erschienen bei der Höhle des Wolfes. Als sie durch die Öffnung in das Innere traten, sahen sie, dass der Wolf seitlich lag.

Der Tiger fragte ihn:

„O Bruder Wolf, wie geht es dir?“

Der Wolf sagte:

„ Bruder Tiger, ich habe seit drei Tagen nichts gefressen, ich bin hungrig.“

Der Tiger sagte:

„ Steh auf, lass uns gehen, vielleicht gibt es draußen etwas.“

Der Wolf sagte:

„ Ich habe auch keine Kraft, mich auf den Weg zu machen.“

Der Tiger sagte:

„Wenn es so ist, bleibst du hier, wir gehen. Zu Mittag treffen wir uns alle bei dir.“

Der Löwe und der Tiger gingen. Als der Wolf gesehen hatte, dass sie gegangen waren, erhob er sich vom Boden und ging in eine andere Höhle. Dorthin hatte er zwei gerissene Schafe gebracht. Er ließ das Lammfleisch vorne, schnupperte daran, und ging wieder auf seinen Platz.

Auf der anderen Seite hatte sich der Tiger vom Löwen getrennt und begann für Bruder Wolf nach Jagdbeute zu suchen. Er war ein bisschen gegangen, viel gegangen, als er die Seite eines Flusses erreichte. Er sah einen Fischer am Flussufer liegen und neben ihm einige große Fische. Der Tiger schaute deshalb einmal hin und her, fasste die Fische und entfloh, brachte sie stolz seinem Bruder Wolf und sagte:

„ Es ist richtig, dass auch ich hungrig bin, aber ich habe es dir angesehen, dass du vor Hunger beinahe stirbst. Nimm diese Fische und friss. Wir sehen, was es später gibt.“

Der Wolf sagte :

„ Vielen Dank, Bruder Tiger, sonst wäre ich vor großem Hunger gestorben.“

Der Tiger gab ihm die Fische und ging weg .

Der Wolf sagte zu sich selbst:

„ Ich habe eine gute Arbeit gefunden. Ich werde nichts unternehmen, werde auch das Gesicht des grauen Hundes nicht sehen. Diese Dummen bleiben selbst hungrig, um mir ihre Jagdbeute zu geben.“

Der Wolf erhob sich schnell, brachte die Fische zu den Tierleichen und warf sie dazu. Als er sogar bei einem Hasen vorbei ging, sagte er:

„Bruder Hase, ja gibt es so was? Du frisst die süßesten Honigmelonen aller Gärten und mir gibst du keine?“

Der Hase sagte:

„ Bruder Wolf, dieses Jahr gibt es in den Gärten keine süße Honigmelone, wie du sagst, dass ich dir auch davon bringe. Verzeihe mir.“

Der Wolf sagte:

„ Ich glaube nichts. Du sollst mir auch meinen Anteil bringen.“

Der Wolf ging von hier direkt auf einen Habicht zu und sagte:

Es ist nun 10 Tage her, dass du mir ein junges Huhn gebracht hast, ja gibt es denn so was ?“

Der Habicht sagte:

„ Es gibt kein Junghuhn.“

Der Wolf sagte:

„ Ich glaub es nicht, du musst mir ein Junghuhn finden und bringen, sonst werde ich mir deine Kinder nehmen.“

Lassen wir ihn hier, ich erzähle dir vom Tiger. Der Tiger ging die Straße dahin und sah wie ein Fuchs ein Stück Knochen abnagte.

Der Tiger fragte ihn:

„Bruder Fuchs, was isst du da ?“

Der Fuchs sagte:

„ Siehst du nicht?“

Der Tiger hockte sich neben den Fuchs am Boden und sagte:

„ Bruder Fuchs, es gibt einen Wolf, der ist sehr alt und stirbt sogar vor Hunger. Vor ein paar Minuten habe ich ein paar Fische gefunden, sie genommen und ihm gebracht.“

Der Fuchs lachte laut.

Der Tiger fragte:

„Warum lachst du?“

Der Fuchs sagte:

„Wenn ich soviel Tierleichen hätte, wie der Wolf, so würde ich ein Jahr essen und schlafen.“

Der Tiger, der sich darüber ärgerte, sagte:

„Lügst du?“

Der Fuchs sagte:

Wollen wir darauf wetten ? Gehen wir das prüfen.“’

Sie wetteten darauf und gingen zum Wolf. Am Weg begegneten sie dem Löwen. Der Löwe fragte:

„Wohin geht ihr?“

Der Tiger erzählte ihm die Worte des Fuchses. Der Löwe schloss sich ihnen auch an. Sie begegneten am Weg dem Habicht. Als sich der Habicht niedergelassen hatte, sagte er:

„Bruder Fuchs, in dieser Gegend gibt es einen Wolf, der hat uns sehr beraubt und bestohlen.“

Der Fuchs lachte und sagte zu seinen Gefährten :

„ So ist das eine.“

Sie gingen ein bisschen bis sie dem Hasen begegneten. Auch jener begann über den Wolf zu klagen.

Der Fuchs sagte:

„ Das ist das andere.“

Der Tiger sagte:

„Bruder Fuchs, du hast die Wahrheit gesagt.“

Der Fuchs, der Tiger, der Löwe, der Hase und auch der Habicht schlossen sich zusammen und kamen geradewegs zu dem Wolf. Als der Wolf sie sah, hielt er seinen Bauch setzte sich auf den Boden, als ob er vor großem Hunger stürbe. Der Tiger sagte:

„Bruder Wolf wie geht es dir ?“

Der Wolf sagte:

„Ich sterbe fast vor Hunger.“

Nach diesen Worten stellte sich der Wolf tot, damit sie fortgingen. Der Fuchs trat schnell näher und sagte:

„ Unser Bruder hat sein schlechtes Dasein auf der Welt beendet. Gehen wir ihn begraben.“

Der Fuchs grub schnell eine Grube aus und sagte:

„ Jetzt erhebt euch, kommt und weint ein bisschen um unseren Bruder Wolf.“

Sie täuschten vor, ein bisschen zu weinen. Der Wolf sah, nein, dass alles schief ging, er kann sich nicht aus ihren Händen befreien. Es schnürte ihm die Kehle zu.

Der Fuchs sagte zu dem Tiger:

„ Bestattet euren Bruder, legt den Leichnam in die Grube.“

Schnell bestatteten sie den Wolf. Der Wolf sagte zu sich : „Wenn sie hinausgehen werde ich flüchten.“

Der Fuchs aber fühlte, dass er sehr vorsichtig sein musste. Als er den Wolf in das Grab legte, bedeckte der Fuchs ihn schnell, der Wolf verreckte darunter und starb.

Der Fuchs sagte :

„ Jetzt öffnet das Lager von Bruder Wolf.“

Sie öffneten es und sie sahen, dass dort alles von Tierleichen voll war.

Der Fuchs sagte:

„Den Verräter begräbt man lebendig, und isst von seinen Vorräten. Esst soviel ihr könnt.“

Sie aßen von des Wolfes gesammelten Tierleichen, darauf tranken sie Wasser und dann gingen sie ihrer Wege.