Märchen aus dem Land der Feuer - Aserbaidschan
In Übersetzung von Mag. Liliane Grimm

Der wundersame Kerzenleuchter

Es war einmal ein Padischah. Dessen Augen erblindeten allmählich. Wie viele Ärzte auch kamen, er konnte nicht geheilt werden.

Irgendwann kam ein Heiler, schaute sich des Padischahs Augen an und sagte:

„Padischah, dir sei Dank! Es gibt für ihre Augen ein Mittel, aber das ist an einer unzugänglichen Stelle.“

Der Padischah fragte:

„Sag mir den Platz, ich werde ihn herausfinden lassen.“

Der Arzt sagte:

„ Am weißen Meer gibt es einen gefleckten Fisch, sein Blut ist das Mittel für ihre Augen.“

Kaum hatte der Heiler aufgehört zu sprechen, ließ der Padishah alle Fischer sich am Ufer des Weißen Meeres sich versammeln und sagte zu seinem auch herbeigeholten Sohne :

„Sohn, lass alle Fische in diesem Meer fangen, bis der gefleckte Fisch gefangen wird.“

Der Sohn versprach eine große Belohnung für den Fischer, der den gefleckten Fisch fangen würde.

Die Fischer warfen die Netze aus und fingen an, Fische zu fangen. Plötzlich war im Netz der gefleckte Fisch gefangen.

Als der Sohn schaute und sah, wie schön der Fisch war, konnte der Mann, der ihn lebend in der Hand hielt, es nicht über das Herz bringen ihn zu töten. Den Sohn dauerte es, den Kopf des Fisches abzunehmen. Plötzlich bekam der Fisch eine Stimme und sagte:

„ Oh ,Junge, töte mich nicht. Zu gegebner Zeit wirst du mich brauchen.“

Der Sohn überlegte, dass die Augen des Vaters vielleicht nie geheilt würden. Der Fisch, dem die Sprache kam, hatte so gefleht, man sollte es gut sein lassen, so dass er ihn freiließ. Der Sohn warf den Fisch ins Meer. Danach sagte er zu den Fischern :

„ Wenn jemand das Geheimnis lüftet, werde ich ihm den Kopf vom Leibe trennen.“

Die Fischer schworen den Eid, dass sie das Geheimnis nicht preisgeben würden. Der Sohn gab ihnen einen Lohn und machte sich auf den Weg zum Vater und sagte :

„ Vater, wie sehr auch gesucht wurde, der gefleckte Fisch konnte nicht gefunden werden.“

Der Vater sagte kein Wort.

Wie es das Unglück wollte, kam eines Tages die Nachricht, dass dem guten Padischah ein Mittel für seine Augen durch die Fischer an einem gefleckten Fisch gefunden wurde. Aber der Sohn hatte ihn aus dem Netz genommen und ins Meer geworfen.

Als der Padischah das vernommen hatte, befahl er, dass der Sohn enthauptet werde. Der Vezier, als Berater des Padischah, flehte ihn an, dass es ein Fehler sei, den Sohn zu töten.

Der Padischah sagte :

„ Nein, es muss sein. Er möchte meinen Tod, dass er die Herrschaft erlange.“

Der Padischah ließ sich davon nicht abbringen, bis endlich der alte, weise Mann bat, dass niemals der Tod des Sohnes, aber die Verbannung ausgesprochen werde.

Der Padischah ließ sich ein bisschen besänftigen und stimmte dem zu. Er sagte, dass er von da verschwinden müsse und das Gebiet verlassen sollte.

Der Königssohn machte sich noch am selben Tag auf den Weg. Er ging entlang dem Ufer des Weißen Meeres, als er am Weg einem jungen Mann begegnete.

Der Junge fragte :

„ Bruder, wohin des Weges ?“

Der Königssohn antwortete :

„ Das weiß ich selbst nicht. Ich gehe der Nase nach. Wohin mein Fuß geht, dorthin geht auch mein Kopf.“

Der Junge sagte:

„ Ebenso wie dir, geht es mir. Komm lass uns Weggefährten sein !“

Der Königssohn sagte :

„ Weggefährten nicht, doch lass uns Brüder sein !“

So hatten sie sich miteinander befreundet und begannen sich auf den Weg zu machen.

Als sie eine Weile gegangen waren, sagte der Junge auf der Straße vertraulich zu dem jungen Mann :

„ Bruder, es ist keine Schande zu fragen, welchen Beruf übst du aus ?“

Der Königssohn sagte :

„Überhaupt keinen.“

Der Junge sagte:

„ Das macht nichts. Ich bin ein guter Arzt. Wandern wir in die Städte und Dörfer, was ich verdiene werde ich mit dir teilen, so werden wir leben.“

Sie waren weit gegangen, als sie eine Stadt erreichten. In dieser Stadt war ein Padischah, der nur eine Tochter hatte. Seit sieben Jahren war das Mädchen stumm.

Der Padischah hatte demjenigen, der die Zunge des Mädchens löste, das Mädchen als Braut versprochen, demjenigen der sie nicht lösen konnte, den Tod durch Enthaupten.

Um das Mädchen zu bekommen und zu heiraten, waren täglich Ärzte gekommen, keiner konnte das Mittel finden.

Der Arzt kam auch mit dem Königssohn und ging in die Stadt.

Sie sahen, wie man einen Mann auf einen dünnen Ast hängte: als Antwort auf die Frage, warum sie ihn dorthin hängten, sagten sie folgendes:

„ Der Padischah hat eine Tochter, die seit sieben Jahren stumm ist. Dieser Arzt war gekommen, sie zum Sprechen zu bringen. Da er sie nicht zum Sprechen bringen konnte, ließ der Padischah ihn auch hängen.“

Als der Arzt, wie auch sein Gefährte, das vernommen hatte, ging er zum Padischah. Er verbeugte sich höflich und sagte :

„ Ich bin gekommen, um dem Mädchen die Sprache zu geben.“

Der Schah sah den hübschen Jungen und sagte :

„Oh, junger Mann, bis jetzt sind vierzig Ärzte gekommen, keiner konnte meiner Tochter Zunge lösen, alle wurden getötet. Armer Mensch, du dauerst mich. Wenn du kein Mittel findest werde ich dich töten.“

„Padischah, es sei dir Dank. Wenn ich es nicht schaffe, dann lass mich auch töten. Aber zuerst lasse mich zu deiner Tochter.“

Der Arzt nahm den Gefährten mit und sie gingen zu dem Mädchen. Dorthin zu dem Haus des Mädchens gingen auch der Padischah und seine Stellvertreter und begannen heimlich zu lauschen. Als der Arzt beim Mädchen eintrat, sagte dieses kein einziges Wort. Im Zimmer aber wurde er von einem unaussprechlichem Juwel, von einem schönen goldenen Leuchter angezogen.

Indem er sich an diesen Leuchter wandte, sagte er:

„ Guten Tag, oh schöner Leuchter!“

Derselbe Leuchter war dem Mädchen nach dem Tod seiner Mutter als Andenken geblieben. Das Mädchen hatte jene überaus geliebt. Nach dem Tod der Mutter schwor das Mädchen, dass es sieben Jahre nicht mehr sprechen werde. So hatte es sich selbst die Stummheit auferlegt.

Nachdem der junge Arzt den Leuchter begrüßt hatte, sagte er:

„ Oh, goldener Leuchter, diese Nacht bin ich dein Gast. Ich werde dir ein Märchen erzählen und du wirst mir die Antwort geben. Oh goldener Leuchter, eines Tages machten sich auf den Weg ein Schneider, ein Tischler und ein Arztgehilfe. Irgendwie erreichten sie am Abend einen Wald. Sie wurden langsam schläfrig und überlegten, dass sie, wenn sie alle drei auf einmal schliefen, in der Nacht das Futter der Wildtiere wären. So geschah es, dass sie sich entschieden, einer nach dem anderen zu schlafen. Sie machten Holzspäne und als erstes kam der Tischler an die Reihe, um zu wachen. Um seine Handfertigkeit unter Beweis zu stellen, machte jener mit dem Rasiermesser aus dem Baum ein Mädchen. Es war ein Uhr Mitternacht vorbei.

Als nächstes kam der Schneider an die Reihe. Auch der Schneider wollte sein Können zeigen und nähte eine Garnitur Kleider, um sie dem Mädchen überzuziehen.

Gegen Morgen kam der Arzt an die Reihe und wachte. Um sein Können zu zeigen, gab der Arzt dem Mädchen ein Mittel und brachte es zum Leben.

Als der Morgen angebrochen war, sagte der Tischler :

„Da ich als erster das Mädchen aus dem Holz geschnitzt habe, habe ich als erstes geheilt, so ist es, dass das Mädchen mir gehört.“

Der Schneider sagte:

„ Ich habe die Bekleidung genäht, so gebührt das Mädchen mir.“

Der Arzt sagte:

„ Ich habe ihr Leben gegeben, daher gehört sie mir.“

Das Mädchen vernahm die Auseinandersetzung.

„ Jetzt, oh goldener Leuchter, entscheide, welchen der drei Gefährten muss es nehmen ?“

Der goldene Leuchter traf keine Entscheidung.

Der Junge sagte :

„ Oh goldener Leuchter, gib Antwort oder ich werde dich gegen einen Baum schlagen, dass du zerbrichst!“

Der Leuchter gab wieder keine Antwort. Der Junge trat zurück, um den Leuchter werfen zu können, als das Mädchen, das es nicht mehr aushielt und die Sprache bekam, sagte :

„Oh, Junge, kann eine Lampe sprechen ? Fasse sie nicht an, erlaube, dass ich spreche.“

Der Junge sagte:

„ Gut, dann versuche es.“

Das Mädchen sagte:

„Der Tischler gab sich Mühe, die Tischlerei gut zu machen, der Schneider ebenfalls, die Kleidung so zu machen. Dem Mädchen das Leben zu geben ist des Arztes Aufgabe. Man kann das nicht käuflich erwerben. So muss gesagt werden, dass das Mädchen dem Arzt gehört.“

Der Padischah und seine Stellvertreter hatten an der Türe die Worte des Mädchens gehört. Sie traten ein und drückten dem Jungen ihre Freude aus. Der Padischah selbst überbrachte nach seinem Versprechen die ganze Mitgift und die Dienerschaft des Mädchens und übergab es dem Jungen.

Der Arzt nahm das Mädchen und ging mit dem Königssohn zum Meer, an dessen Ufer er sich mit dem Königssohn befreundet hatte.

Hierorts sagte schließlich das Mädchen:

„ Oh Arzt, sie haben mit großem Geschick mich zum Sprechen gebracht. Ich möchte jetzt wissen, wer sie sind und wohin sie mich mitnehmen.“

Der Arzt sagte:

„ Ich bin der Sohn eines Königsfisches. Ich versetze mich in jede Lage. Eines Tages bin ich in dieses Weiße Meer geschwommen. Die Fischer hatten Netze ausgelegt um mich zu fangen.

Mein Blut sollte das Heilmittel für des Padischahs Augen sein. Sein Sohn hier ließ mich frei und bewahrte mich vor dem Tod. Jetzt schenke ich dich mit deiner Mitgift und der Dienerschaft diesem jungen Mann. Von diesem Tag an bist du meine Schwester und der Königssohn somit mein Schwager. Wenn ihr irgend wann mich braucht, kommt zum Ufer des Weißen Meeres und ruft mich.“

Als der junge Mann das gesagt hatte, gab er hierauf ein wenig von seinem Blut in ein Glas, gab es dem Königssohn und sagte :

„ Reibe damit deines Vaters Augen ein, sie sollen gut werden.“

Der Arzt nahm nochmals Abschied von ihnen, wurde wieder ein Fisch, warf sich ins Meer und entglitt ihren Augen.

Der Königssohn erfasste das Mädchen an der Hand und ging mit ihr in seines Vaters Stadt.

Er umarmte und küsste seinen Vater. Er strich das Fischblut in seines Vaters Augen. Des Padischahs Augen sahen wieder.

Der Padischah machte ein großes Fest, nachdem die Stadt geschmückt worden war und der Sohn sich mit einem roten Gewand bekleidet hatte, und setzte seinen Sohn auf den Thron.

Es wurde vierzig Tage und vierzig Nächte die Hochzeit des Sohnes gefeiert. Sie verbrachten schöne Tage und genossen das Leben. Mögen auch Sie viele glückliche Tage in ihrem Leben zählen.