Märchen aus dem Land der Feuer - Aserbaidschan
In Übersetzung von Mag. Liliane Grimm

Die Geschichte von Yusif

Es gab einmal irgendwann einen Kaufmann. Dieser Kaufmann hatte sieben schöne Töchter. Wie viele Opfergaben er auch darbrachte, Gott schenkte ihm keinen männlichen Nachkommen.

Eines Tages brachte der Kaufmann Ware in die Stadt Gändshä[1] und beschloss in einer Karawansarei zu bleiben und am nächsten Tag heimzukehren.

So ging er zur Karawansarei. Er sah wie ein Bettler sich an die offene Türe gesetzt hatte, aber es hatte kein Almosen gegeben. Er kam zu dem armen Bettler, zog aus seinem Geldbeutel zwei Shahi[2] und warf sie in des Bettlers geöffneten Hände. Als der Bettler das Geld sah, freute er sich und sagte zu dem Kaufmann :

„ Agha, möge dein Wunsch Allah erreichen! “

Der Kaufmann hatte auch gesehen als er den Bettler ansah, dass dessen Antlitz sich erhellte, als er dankte und seufzte :

“ Allah erhöre dich, oh Mann“, als er in das Innere ging und die Nacht über hier blieb.

Der Morgen brach an und als der Kaufmann seine Ware verkauft hatte, machte er sich am Weg nach Hause.

Während seiner Wanderung kam er auf eine herrenlose Straße. Räuber überfielen die Karawane und nahmen auch den Kaufmann als Gefangenen mit. Der Anführer der Räuber, der gesehen hatte, dass der Kaufmann nett aussah, tötete ihn nicht, sondern nahm in mit nach Heleb[3], brachte ihn in einen Bazar und verkaufte ihn an einen Schuhmacher. Der Kaufmann arbeitete bei dem Schuster ab dem gleichen Tag. Er war bei dem Schuhmacher sieben Jahre lang angestellt und blieb sein Bediensteter bis der Schuhmacher eines Tages erkrankte und starb.

Des Schusters schöne, junge Ehefrau, Chedidsche, schlug dem Kaufmann vor, sie zu heiraten und in sein Vaterland zu gehen.

Der Kaufmann war einverstanden, Chedidsche stellte ihn vom Dienst frei und heiratete ihn. Der Kaufmann verkaufte Chedidsches Besitz und kleidete sich als Geschäftsmann, stellte eine kleine Karawane auf und machte sich auf den Weg in die Heimat. Chedidsche ging auch mit ihm.

Zu Hause angekommen, erfuhr er, dass ein Sohn geboren war. Es blieb nur mehr wenig zum Glück des Mannes und er war von Herzen froh. Eilig kam er um zu sehen, was für ein hübscher Knabe es war, aber bis jetzt hatte man dem Kind keinen Namen gegeben, weil sein Vater auf Reisen war.

Chedidsche, die sich auch sehr freute, begriff das Problem und als sie die Schönheit des Kindes gesehen hatte, nannte sie es Yusif.

Als Yusif das zehnte Lebensjahr erreicht hatte, waren alle von seiner Schönheit, dem Verstand und dem Mut begeistert.

Die Monde vergingen, die Jahre verflossen und eines Tages erkrankte der Kaufmann und verließ die Erde. Darauf war der Rest des Reichtums auch ausgegeben und zu Ende gegangen. Auf einmal hörten auch mit der Not die mit dem Kaufmann geschlossenen Freundschaften auf.

Zu dieser Zeit hatte Yusif das achtzehnte Lebensjahr erreicht und gearbeitet und irgendwie, in der Mittellosigkeit, die Familie versorgt. Die Schwestern waren auch erwachsene Mädchen, aber da sie verarmt waren, wurde die Schönheit nicht beachtet und niemand kümmerte sich um sie. Chedidsche tat ihr Bestes für sie.

Das Wetter wurde warm, die Sonne verbrannte die Erde und alle übersiedelten auf die Almen. Yusif dachte daran, dass er zum Freund seines Vaters im benachbarten Dorf gehen, eine Kutsche von ihm ausborgen und damit seine Familie auf die Alm übersiedeln könnte.

Als die Familienmitglieder von dem von ihm gefassten Entschluss erfuhren, flehten sie ihn an, nicht dorthin zu gehen, es würde was passieren. Aber das nützte nicht.

Yusif verabschiedete sich von der Mutter und den Schwestern und begab sich ins Dorf hinter dem Berg.

Als er hier angekommen war, dunkelte es bereits und der Abend brach heran. Yusif fand das Haus, das er suchte. Der Hausbesitzer öffnete die Tür. Als er Yusif sah, dachte er, dass dieser Junge was von ihm erbitten würde, ließ ihn nicht zu Wort kommen und verjagte ihn so von der Türe. In der auswegslosen Situation hatte Yusif beschlossen, zurückzugehen.

Von jeder Richtung brach Finsternis herein. Die Fußspur am Weg war nicht mehr gut auszunehmen und so betrat Yusif bis der Morgen sich lichtete, den Friedhof. Bei irgendeiner alten Ruhestätte der Grabsteine suchte er Zuflucht.

In der Nacht bemerkte er ein Licht und als er hinsah, kam ein langbärtiger Mann in Richtung zu dem Grabstein, wo er in der Ruhestätte Zuflucht gesucht hatte. Yusif, der an sich äußerst furchtlos war, nahm sich zusammen und begann zu warten.

Als der Mann vor dem Grabstein stehen geblieben war, sagte er:

„ Hasan, Hüseyin, öffnet die Tür!“

Der beobachtende Yusif sah, wie sich eine Türe öffnete und der Mann das Innere betrat und die Türe wieder geschlossen wurde. Yusif war darüber sehr überrascht und er begann sich dafür zu interessieren. Nach einiger Zeit kam er zu dem Grabstein und sagte:

„Hasan, Hüseyin öffnet die Türe !“

Wieder öffnete sich der Grabstein, Yusif betrat ihn, darauf schloss sich die Türe. Zuerst erkannte der Junge überhaupt nichts. Danach, als sich das Auge an die Dunkelheit gewöhnt hatte, sah er, als er in Richtung zu der unteren Seite ging, dass es eine Treppe gab.

Er begann auf der Treppe abwärts zu steigen. Nachdem er länger gegangen war, kam er vor eine Türe. Yusif öffnete die Türe und betrat das Innere. Er sah, dass es ein kostbar ausgestattetes Zimmer war. Derselbe langbärtige Mann, den er vorher gesehen hatte, hatte sich eben im Zimmer auf einen wertvollen Teppich gesetzt. Überall war es auch mit kostbaren goldenen Leuchtern ausgeschmückt.

Yusif grüßte höflich und blieb vor der Erscheinung des Mannes stehen. Der Mann nickte zu ihm und fragte :

„ Oh Junge, wie bist du hierher gekommen ?“

Yusif sagte :

„ Agha, wie du hergekommen bist, bin ich gekommen!“

Der Mann verstand, dass der Junge das Geheimnis erfahren hatte und da es so war, sagte er stirnrunzelnd, mit einem Gesicht wie vierzehn Tage Regenwetter zu Yusif :

„ Ich weiß, dass du ein armer Junge bist. Eine Weile wirst du hier bleiben und ich werde dir etwas geben. Ich habe sieben Zimmer, nimm diesen Schlüsselbund und sieh dich in den Räumen um. Schau sie dir an soviel du willst, aber das siebente Zimmer öffne ja nicht!“

Yusif nahm die Schlüsseln und begann ein Zimmer nach dem anderen zu inspizieren. Wie er so schaute, merkte er, dass jedes einzelne Zimmer schön war. Sie waren voll von wertvollen Stoffen, Gefäßen und Schmucksachen.

Auf diese Weise hatte er sechs Zimmer betreten und hatte nach Herzenslust von den Sachen ein bisschen eingesammelt. Er war bis vor das siebente Zimmer gekommen, dass er nach den Worten des Mannes meiden sollte. Aber Yusif konnte nicht an sich halten, er öffnete die Türe des siebenten Zimmers und trat ein. Wie er um sich schaute, sah er, dass dieses Zimmer noch schöner, als die anderen war. Das ganze Zimmer war geschmückt.

Auf einer Seite aber saß am Bett aus Gold und Perlen ein schönes Mädchen und weinte.

Als das Mädchen Yusif sah, war es darüber erstaunt und fragte:

„ Oh, Junge, wie bist du hierher gekommen ?“

Yusif kam zu ihm hin und erzählte ihm alles.

Das Mädchen sagte zu Yusif :

„ Yusif, ich bin die Tochter eines Padischahs. Der Mann, den du gesehen hast, ist der Herrscher der Finsternis. Er ist auch ein Zauberer. Mich hat er entführt und hierher gebracht. Erkenne und wisse, dass dich jener töten wird, weil außer ihm niemand anderer die Welt de Finsternis betreten darf. Du hast dieses Geheimnis erfahren, nimm und behalte dieses Schwert. In Kürze kommt jener hierher, wenn du ihn mit drei Schwerthieben töten kannst, sind wir von hier befreit. Nicht, wenn du es nicht kannst, dann wird jener dich vernichten. Auch ich werde für immer hier bleiben.“

Yusif nahm das Schwert und verbarg sich in einer Ecke des Zimmers. Er sah auch wie sich die Türe öffnete und der Mann eintrat und sagte :

„ Hast du nicht einen Jungen gesehen ?“

Das Mädchen sagte :

„Nein, Agha.“

Der Mann ging hin und legte sich auf das Bett, damit er es bequem habe. Yusif sprang aus seinem Versteck und versetzte ihm mit dem Schwert einen Hieb. Aber der Mann konnte nicht sterben. Er verwandelte sich in einen Löwen und begann zu kämpfen. Yusif verabreichte dem Löwen auch einen Hieb, aber auch jener wurde nur verwundet. Darauf änderte sich das Fell des Löwen in ein schwarzes Ungeheuer.

Sie kämpften 39 Tage und Nächte miteinander. Am vierzigsten Tag kam eine Schwalbe vom Fenster ins Innere geflogen und hatte sich zu einem Helden mit Schwert verwandelt. Das Schwert schlug das Ungeheuer in den Hals, der Held verwandelte sich wieder in eine Schwalbe und flog hinaus.

Das Mädchen nahm mit Yusif so viele Sachen, welche leicht an Gewicht, aber wertvoll waren. Sie durchquerten die sieben Zimmer und erreichten die Treppe. Sie kletterten die Stufen aufwärts und standen vor den Türen der Finsternis.

Yusif sagte:

„Hasan, Hüseyin, öffnet die Türe !“

In diesem Augenblick öffnete sich der Grabstein. Yusif und das Mädchen kamen hinaus in die helle Welt. Da geschah es, dass sie die Schwalbe über Yusifs Kopf sahen. Die Schwalbe machte einen Moment eine Wendung und ließ sich auf der Haut einer Frau nieder. Yusif erkannte Chedidsche.

Chedidsche nahm das unter ihrer Tracht verborgene Schwert hervor und band es Yusif um.

Sie sagte :

„Dieses Schwert hat der Blitz aus einem Stein hergestellt. In welchem Kampf du auch das Schwert in der Hand hältst, es wird auch Stein und Eisen zerschlagen.“

Yusif und Chedidsche küssten einander und gingen dann zusammen zurück nach Hause. Yusifs Mutter und Schwestern vermuteten, dass er tot sei und hatten Tag und Nacht geweint.

Jetzt, als sie ihn heil und gesund sahen, freuten sie sich. Yusif war reich gekommen und erbaute selbst ein schönes Gebäude. Er baute auch ein Gebäude für Chedidsche.

Bleibt nur noch über das einst dunkle Los des Mädchens zu erzählen. Als sie zum Padischah ging, gab dieser das Mädchen dem Yusif zur Frau. Danach setzte er Yusif noch auf den Schahthron. Yusifs Schwestern aber heirateten tapfere Männer. Die freuten sich darüber und tanzten und sangen vierzig Tage und vierzig Nächte. Sie aßen und tranken, bis sie unter dem Tisch lagen. Essen und trinken Sie auch und verbringen Sie eine angenehme Zeit.


[1] Eine alte Stadt im Nord-Westen Aserbaidschans

[2] Damalige Währung

[3] In Syrien