Märchen aus dem Land der Feuer - Aserbaidschan
In Übersetzung von Mag. Liliane Grimm

Vorwort

Die Kultur Aserbaidschans und des Südkaukasus begann sich mir im Jahre 2000, anlässlich einer Vernissage zugunsten eines aserbaidschanischen Malers in Wien, zu erschließen.

Ich wurde vom ersten Augenblick an von der Atmosphäre und dem Kunstsinn der Aserbaidschaner so sehr angezogen, dass ich zunächst den dort anwesenden Aserbaidschanischen Botschafter in Wien Vaqif Sadiqov (jetzt Vize-Außenminister in Baku) meine Mitarbeit in Form einer Vermittlung bei den „Internationalen Begegnungen“ in Hartberg, Steiermark in Österreich, anbot, wo sich alle drei Jahre Folkloregruppen aus aller Welt in völkerverbindender Weise zum kulturellen Austausch auf dem Gebiet der Volksmusik und des Volkstanzes treffen. Das Angebot wurde akzeptiert und die Idee wurde im Sommer 2003 erfolgreich verwirklicht und die aserbaidschanische Kindertanzgruppe „Sayyah“ unter der Leitung der bekannten Tänzerin Tarana Muradova, besuchte Österreich.

Vorher noch nahm ich das Angebot der Botschaft an, drei Monate nach Aserbaidschan zu reisen, um nach eigenem Wunsch auf der Bakuer Staatlichen Universität Sprache, Kultur und Tradition sowie Geschichte des Landes kennen zu lernen. Von nun an reise ich alljährlich zusammen mit meinem Lebenspartner nach Baku, um von dort auch zahlreiche Ausflüge ins Landesinnere zu unternehmen und Land und Leute kennen zu lernen.

Zu den Märchen kam ich durch den damaligen Presseattache der Aserbaidschanischen Botschaft in Wien, Nasimi Aghayev, dessen Sprachkurse für die aserbaidschanische Sprache an der Universität Wien ich besuchte und der meine Begabung für die Übersetzung der Märchen entdeckte. Ich hatte schon als Kind eine große Vorliebe für Märchen, die mir Großvater jeden Abend erzählte.

Märchen drücken die Volksseele aus und sie sind ein Beitrag, die Sitten, Gebräuche und Gewohnheiten des betreffenden Volkes kennen zu lernen.

Aserbaidschanische Märchen widerspiegeln das Volksleben. Neben den sozialen Verhältnissen können auch in diesen Märchen Symbolismus, magische und kosmogonische Vorstellungen beobachtet werden.

In aserbaidschanischen Märchen kann man auf einer Seite den Einfluss der Kultur des mittelalterlichen Orients, auf der anderen Seite griechisch-hellenische, kaukasisch-albanische Einflüsse bemerken. Auch die Transformation der altindischen und arabischen Folkloremotive kann erkannt werden.

Aserbaidschanische Märchen können als „Tiermärchen“, „Märchen über einfache Menschen“, „Lebensmärchen“ und „Magische Märchen“ klassifiziert werden. In Tiermärchen können gleichzeitig allegorische und symbolische Sujets beobachtet werden.

„Die Märchen über einfache Menschen“ schildern das schwierige Arbeitsleben des aserbaidschanischen Volkes, seine Bestrebungen nach Verbesserung dieses Lebens, gegenüber der herrschenden Klasse. Die Hauptpersonalien dieser Märchen sind schlaue Glatzköpfe, Hirten, Schuster, Mützenmacher, Schneider, u.s.w. In schwierigen Zeiten benützen sie ihre Intelligenz und Schlagfertigkeit und besiegen die Schahs.

In sogenannten „Lebensmärchen“ wird die Notwendigkeit, die Handwerkkunst zu erlernen, zur Sprache gebracht. Aber es werden auch Gerechtigkeit, Tapferkeit, Liebe zur Heimat, Barmherzigkeit, Ehrlichkeit u.s.w. gepredigt. Diese Märchen drücken den geistlich-moralischen Charakter, den Patriotismus des aserbaidschanischen Volkes aus.

Die „Magischen Märchen“ sind der Ausdruck der hohen Improvisierungskunst der aserbaidschanischen Märchenerzähler. In diesen Märchen spielen zauberhafte Kräfte eine große Rolle. Die Märchen werden meistens mit dem Kampf zwischen den bösen magischen Kräften und tapferen Helden gekennzeichnet. Die tapferen Helden besiegen die bösen Kräfte mit Intelligenz, Wissen, Geschick und Tapferkeit und erreichen ihre Ziele.

Unter Aufsicht und Unterstützung Nasimis übersetzte ich die vorliegenden Märchen aus der Reihe der „Azerbaycan Nagillari“, gesammelt und herausgegeben vom Turan Verlag 2001 in Baku. Die übersetzten Märchen wurden 2004 vom Verlag der Bakuer Staatlichen Universität publiziert.

In diesem Zusammenhang möchte ich mich ganz herzlich bei den oben Genannten für ihre Bemühungen bedanken.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen und würde mich über Ihre kritischen Bemerkungen zu diesen Märchen freuen.

Liliane Grimm

liliane.grimm@a1.net